Freitag, 24. November 2017

Aus der Praxis – Das Leiden des chronisch Unzufriedenen


Malerei: AW

Ein Mensch ist gänzlich unzufrieden mit seinem Leben, egal was er auch tut, egal was er hat, es ist nie genug, es ist nie richtig und alles fühlt sich falsch und unbefriedigend an. Egal was er beginnt, es will ihm nicht gelingen. Immer ist da das Verlangen nach mehr, nach anderem, nach dem, was er nicht hat. Dieser Mensch leidet an chronischer Unzufriedenheit. Von Außen betrachtet hat er ein gutes, fast schon luxuriöses Leben ohne größere Probleme und Sorgen. Innerlich leidet er wie ein Hund. Das Verlangen nach mehr macht ihn immer unzufriedener.

Wir alle kennen das Gefühl von Unzufriedenheit. Es gibt vielerlei Gründe um unzufrieden zu sein. Es läuft nicht wie wir es gern hätten, wir erreichen Ziele nicht, wir finden nicht den passenden Partner, die Anderen verhalten sich nicht so wie wir es erwarten, wir mögen unser Aussehen nicht, wir haben nicht genug Geld, der Job frustriert uns, unser Leben verläuft anders als wir es uns wünschen. Die Gründe für Unzufriedenheit nehmen kein Ende wenn wir den Focus auf das richten, was wir nicht haben können.  

Die Welt ist voll von unzufriedenen Menschen, die nicht satt sind und es nicht werden. „Eigentlich könnte ich ganz zufrieden sein, wenn es doch so und so wäre“. Das ist ein  Satz des modernen Menschen. Eigentlich müsste der Satz heißen: "Es fehlt mir noch so viel, um ich mich selbst zu akzeptieren wie ich bin und mein Leben so wie es ist".
Die Unzufriedenheit aber kann das nicht. Sie ist nicht fähig sich selbst zu akzeptieren und sie ist unfähig ihr Leben zu akzeptieren, ob es nun perfekt passt oder nicht. Und - die Unzufriedenheit vergleicht sich mit anderen. „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit“, schrieb einst der Philosoph Sören Kirkegaard.

Das Gefühl der Unzufriedenheit hat etwas Zersetzendes. Nie ist der Unzufriedene im Jetzt, immer ist er gedanklich in der ach so schönen Vergangenheit oder der unschönen, oder er ist in der schönen Zukunft oder in der Unschönen. Egal wo er ist, nichts ist gut genug. Nicht heute, nicht gestern, nicht morgen. Der Grund: Er ist außer sich. Er zerrt an sich selbst herum und sieht die Welt verzerrt. Sein Denken ist ein ewiges: Ich will, ich sollte, ich müsste, es ist nicht gut wie es ist.

Er verlangt nach Dingen, die er nicht hat oder nach Dingen, die andere haben und die doch eigentlich ihm zustünden.  Was er hat sollte so und so sein, aber nicht so wie es ist. Seine Forderung an das Schicksal ist unangemessen hoch. Aber all das ändert absolut nichts an der Person, die er ist, an genau dem Punkt seiner Entwicklung an dem er ist.

Sicher steht es uns frei uns Dinge zu wünschen und uns Ziele zu setzen. Aber das bedingt, dass wir etwas dafür tun. Dann wirkt die Unzufriedenheit als Antrieb etwas zu verändern und zwar zum Positiven hin. 
Aber genau das kann und will der unzufriedene Mensch nicht. Er ist zu sehr damit beschäftigt sich selbst zu bemitleiden, andere zu beneiden und zu klagen. Im tiefsten Inneren fühlt er sich wie die unerkannte Prinzessin oder der unerkannte Prinz, dem das Leben alles Schöne und Gute auf dem Silbertablett servierten soll, was er sich selbst nicht verschaffen kann. Wie auch? Chronische Unzufriedenheit ist eine blockierende Energie, die an der Lebenskraft zehrt. Im ewigen Klagen verhaftet wird der Blick trübe für das was bereits da ist und was als Basis dafür dienen könnte etwas zu werden. Werden im Sinne von Schöpfung. Der Unzufriedene aber ist weit entfernt davon Schöpfer zu sein, weil er ein Klagender ist und damit blind den eigenen Potentialen, Gaben und Lebensumständen gegenüber. Es gibt so viel was er tun könnte, aber  solange er nach Dingen verlangt, die nicht er selbst sind, verrennt er sich nach nirgendwo.

Wir verrennen uns immer, wenn wir nicht wir selbst sind. Um wir selbst zu sein müssen wir erkennen wer wir sind und dazu gehört auch zu erkennen, wer wir nicht sind, was wir nicht werden können und was wir demnach nicht haben können.

Aber das ist natürlich nicht leicht, es ist sogar schwer das zu erkennen. Und haben wir es erkannt, auch noch ja dazu zu sagen.

Einem unzufriedenen Menschen zu helfen zufriedener zu werden ist kein leichtes Unterfangen. Ihm zu sagen: Schau auf das, was du hast und sei dankbar für das, was du hast, ist wenig hilfreich. Es ist ein nicht zielführendes Herumdoktern am Symptom. Vielmehr müssen zunächst die Ursachen der chronsichen Unzufreidenheit gefunden werden und diese sind vielfältig.
  
Was unzufriedene Menschen gemeinsam haben ist eine negative Lebenseinstellung.
Die Ursachen dafür liegen meist in der Kindheit. Das sind Botschaften wie: „Das geht nicht“, „Das kannst Du nicht“, „Das schaffst Du nicht“.  Das Kind verinnerlicht so eine negative Einstellung zu sich selbst und wird aufgrund dieser Introjektionen auch im späteren Leben nur schwer zu einer bejahenden, sich selbst und andere wertschätzenden Lebenseinstellung gelangen. Es hat gelernt an sich selbst zu zweifeln. Dies führt zu einem verzerrten Selbstbild. Es hält sich für wertlos, unfähig, zu dumm, zu klein, nicht gut genug und und und. Dieses Bild von sich selbst ist durch die destruktiven Botschaften der Kindheit verinnerlicht und oft ernab jeglicher Realität. Die negative Sichtweise auf sich selbst führt wiederrum dazu den Blick vorrangig auf die eigene Fehlbarkeit und das, was nicht erreichbar ist zu lenken. Was dagegen erreicht wird, wird nicht gesehen, oder erscheint wertlos. Eine negative Sichtweise auf sich selbst geht meist einher mit einer negativen Sichtweise auf andere. Gesehen werden vor allem die Fehler des Anderen, das was er nicht kann, nicht hat, seine Stärken und Erfolge dagegen werden beneidet. Womit wir beim Neid sind. 

Neid richtet den Fokus auf das Haben oder das Sein des Anderen. Neid vergleicht sich ständig und sieht nur das, was er nicht hat, anstatt das, was er bereits an Gutem hat. Wer unter Neid leidet ist solange nicht zufrieden, bis er die Objekte seiner Begierden besitzt. Fatalerweise halten die Freude oder die Dankbarkeit darüber nicht lange an, weil es ja immer noch mehr von dem zu haben gibt, was andere längst haben und so sehnsüchtig begehrt wird. So kommt es zur Gier. Gier und Neid gehen immer eine unheilige Allianz ein.


Was dem Unzufriedenen fehlt um seinem Leiden zu entkommen ist der Mut, das mit dem er nicht zufrieden ist, zu ändern. Aber wie sich aus der Komfortzone herausbewegen? Dann müsste er aufgeben was er schon sicher hat und Unsicherheit erträgt er nicht, denn das würde bedeuteten, sich auf das Leben, wie es ist, einzulassen und Eigenverantwortung zu übernehmen, was heißt: Sich sich selbst ehrlich zuzuwenden. Etwas was der Unzufriedene beharrlich vermeidet, weil er sich vor sich selbst und der eigenen Wahrheit instinktiv fürchtet.
Diese Wahrheit ist ganz einfach: Wenn er anders sein könnte, wenn sein Leben anders sein könnte, dann wäre es anders.













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